Zwischenbilanz nach dem 1. Abschnitt

Halifax, der Wendepunkt von Nord nach Süd

Halifax ist der nördlichste Punkt der Reise, von hier aus geht es wieder nach Süden, das ist Anlass genug, ein Resümee der bisherigen Fahrt zu ziehen.

Bilanz in Zahlen:
Insgesamt gefahrene Zeit                  ca. 270 h, davon gesegelt 105 h
Insgesamt gefahrene Strecke:          ca. 1.300 Seemeilen, davon gesegelt ca. 600 nm
Dieselverbrauch:                                 ca. 300 Liter
Benzinverbrauch Dinghi:                  ca. 20 Liter

Vom 21. Mai bis zum 16. Juli sind es 8 Wochen, also 56 Tage oder 1.344 Stunden, von denen wir an 25 Tagen unterwegs waren. Die 270 Stunden echte Fahrzeit entsprechen also ziemlich genau 20% der Zeit. Interessanterweise sind wir damit schon nach diesem einen, kurzen Reiseabschnitt bei dem Wert angelangt, den ich von anderen Weltum-seglern kenne. Burghard Pieske z. B. wird nicht müde in seinen Vorträgen zu predigen, dass man nur 15-20% der Zeit echt unterwegs ist, der Rest sind Liegezeiten. Er nutzt diese Tatsache als starkes Argument pro Katamaran, denn in den 85-80% Liegezeiten wohnt man auf dem Schiff, und da sollte man es so komfortabel haben wie nur möglich.

Ich kann mich dieser Argumentation nur anschließen. Bei meinen Besuchen auf Yachten anderer Langzeitsegler, praktisch immer mit Einrumpfyachten unterwegs, ist mir die dortige Beengtheit immer wieder ins Auge gefallen. Sobald man irgendwo sitzt, tut man gut daran, an dem Platz die nächsten Stunden hocken zu bleiben. Bei jedem Platzwechsel oder beim Gang auf die Toilette müssen andere Leute aufstehen, der Tisch muss umge-räumt und evtl. hochgeklappt werden. Der oder die Arme, die sich um die Küche kümmert, hockt im Keller, abgeschnitten von der Konversation. Das Essen muss mühsam einzeln durch den Niedergang hoch gereicht werden, jeder Drink ebenso. Auf dem Katamaran steht man einfach auf, geht zum Kühlschrank und holt sich, was man braucht. Jedes Mal wenn ich von einer Einrumpfyacht auf JABULO zurück komme, bin ich froh, mich wieder aufrecht und frei bewegen zu können. Sogar das Umsteigen ins und vom Dinghi ist unvergleichlich komfortabler, bei den Einrumpfyachten muss man stets wie ein Akrobat winzige Leiterstufen rauf oder runter krabbeln und sich an irgend-welchen Relingstützen krampfhaft festhalten. Genug der Werbung für Katamarane..

Die Technik:
Wer von Euch den bisherigen Blog verfolgt hat, konnte den Eindruck gewinnen, dass JABULO ein Bastelobjekt ist, da ich immer wieder von Reparaturen berichtet habe. Aber ich kann Euch beruhigen, das wird aktuell immer weniger, es wird nie ganz aufhören, so ein Schiff besteht nun mal aus sehr viel Technik und die Betriebsbedingungen sind alles andere als normal.

Der hinter uns liegende erste Reiseabschnitt war von vornherein als Test und Einarbei-tung gedacht. Wir haben uns praktisch immer in Sichtweite, zumindest jedoch in Funkweite zum Land befunden, sodass wir immer Hilfe bekommen hätten, wenn sie nötig gewesen wäre. Worin ich mich allerdings getäuscht habe, sind die Servicemöglich-keiten an der US-Küste. Es gibt zwar unendlich viele kleine Werften und Reparatur-dienste, aber für Durchreisende hat niemand Zeit. Wir haben bisher alles mit Bord-mitteln reparieren müssen und können. Mittlerweile gibt es kaum noch Teile, die wir nicht angeschaut bzw. sogar überholt haben. Ich gehe davon aus, dass wir ab jetzt kaum noch mit den typischen Anlaufproblemen bzw. Standschäden zu kämpfen haben.

Die Versorgung mit Ersatzteilen in den USA ist eher bescheiden, alles muss umständlich bestellt werden. Andere Segler haben mir erzählt, dass sie ihre Teile schneller und billiger von Deutschland aus erhalten als lokal. Diverse Kleinteile wie Elektronik-Kompo-nenten, Reserve-Impeller, Rückschlagventile und Dichtungen für die Bilgepumpen und Toiletten besorge ich deshalb im Herbst zu Hause.

Nachdem jetzt der Wassermacher funktioniert und die SSB-Funkanlage zumindest prinzi-piell arbeitet, habe ich noch ein paar offene Baustellen wie die Montage der letzten Lukendichtungen und dann in der Karibik den Rückbau der Elektrik auf 230 V. Aus Sicherheitsgründen werde ich als zusätzliche Navigationsausrüstung einen Tablet-Computer mit eingebautem GPS-Empfänger kaufen und dort OPEN-CPN mit den Welt-karten installieren. Damit hätte ich dann ein zweites, vom Laptop, unabhängiges System, das auch für mehrere Stunden ohne Bordstrom arbeiten kann. Der vorhandene alte Raymarine-Plotter verfügt nur über Karten der USA, Karten für andere Weltgegenden gibt es aktuell nicht mehr zu kaufen. Evtl. kann ich einige gebraucht über Ebay finden. Wenn nicht, muss ich spätestens in Guadeloupe nach Ersatz schauen, evtl. kommt dann auch ein neues RADAR System an Bord.

Das Bordleben:
Das Bordleben ist in natürlich durch die Crew definiert. Bisher waren wir, bis auf die eine Woche mit Prisca und Benjamin, zu zweit. Mit der Zeit entwickeln sich Routinen, so auch zwischen Andreas und mir. Abläufe wie das Ankern, Dinghi zu Wasser lassen, Segel setzen und reffen geschehen irgendwann ohne Worte. Man weiß einfach, was zu tun ist. Anfänglich haben wir uns beim Kochen abgewechselt, aber mit der Zeit hat Andreas den Namen der Webseite: Hand gegen Koje immer wörtlicher genommen und sich zum Küchenchef und Chefeinkäufer entwickelt.

Gegessen haben wir immer gut, morgens gab es Frühstück, mittags einen Snack oder Obst.  Andreas hat sich stets um 12 Uhr einen Kaffee gekocht. Zwischendurch haben wir immer mal wieder in den Schrank mit Müsliriegeln gegriffen. Abendessen gab es für meine Verhältnisse immer ziemlich früh, so kurz nach 18:00 Uhr, meistens mit einem Glas Wein oder einem Bier. Harter Alkohol ist erst nach etlichen Wochen das erste Mal überhaupt an Bord gekommen. Nach „Feierabend“ sprich Ankern, Abendessen und Aufräumen haben wir uns je nach Wetter noch einen oder mehrere Drinks genehmigt, bei Kälte Glühwein oder Tee mit Rum, ansonsten Wein oder Bier.

Andreas ist kein Freund vieler Worte, so haben wir abends oft nur zusammen Musik gehört oder Filme angeschaut, ohne viel dabei zu reden. Er kann beneidenswerterweise stundenlang auf dem Vordeck sitzen oder liegen und in die Wellen schauen, ich dagegen wälze immer schon die Pläne für die nächsten Tage und Wochen im Kopf hin und her. Aber wir sind gut miteinander klar gekommen. Andreas wird ab November mit in die Karibik segeln. Mal sehen, wie es bis dahin mit den neuen Mitseglern Thilo und Margit klappt.

Das Segeln mit JABULO:
Leider war oft kein Wind oder er war zu schwach oder er kam direkt von vorne. So ist das eben beim Segeln. JABULO segelt, wie fast alle Yachten natürlich am besten mit halbem Wind. Aber mit weniger als scheinbaren 8 oder 10 Knoten ist es sehr mühsam, der Kat schleppt sich dann mit 2-3 Knoten voran. Sehr hoch an den Wind kann man nicht, bei weniger als 50° bricht die Fahrt doch gewaltig ein, das, zugebenermaßen sehr alte, Vorsegel neigt zum Flattern am Achterliek, auch wenn es dort mit dem Straffer dicht zieht.

Direkt vor dem Wind kann man nicht segeln, solange das Großsegel mitarbeiten soll. Da die Wanten wegen des nach hinten geneigten Mastes sehr weit achtern angeschlagen sind, liegt das Großsegel schon bei geringer Ausbaumung an den Salingen und Wanten an. Maximal 130° sind so möglich, ohne das nagelneue Segel gleich wieder kaputt zu scheuern. Man muss also aufkreuzen, was bei einem Kat ohnehin keine schlechte Taktik ist. Will man mehr als 130° vor den Wind, kann man natürlich wunderschön nur mit dem Vorsegel arbeiten. Auch wenn es nur 35 m2 anstelle der 70 m2 des Großsegels hat, zieht es das schwere Schiff doch kräftig voran. Besonders bei Windgeschwindigkeiten oberhalb von 15 kn bis zu 30 kn segelt es sich so recht flott und vor allem sicher. Bei den Nachtfahrten haben wir das so gemacht. Nur unter der Genua kann man sogar recht hoch an den Wind, fast so hoch wie mit voller Besegelung. Demnächst werde ich den in einer Backskiste liegenden Genacker austesten.

Die Bootsgeschwindigkeit entspricht bei voller Besegelung immer in etwa der halben scheinbaren Windgeschwindigkeit, bei stärkerem Wind liegt sie auch erheblich darüber. Wie gesagt, war aber leider insgesamt zu wenig Wind als dass wir mit dem Segeltrimm experimentieren und das Potential ausschöpfen konnten.

Das Seeverhalten ist bei achterlichen Winden sehr angenehm, ein sanftes Wiegen erzeugt ein beruhigendes Gefühl. Auch gegenan gibt es keine nennenswerte Krängung und kaum seitliches Schaukeln. Je nach Welle springt JABULO aber bei Am-Wind-Kursen eher über die Wellen und taucht dann mit den Bügen zuweilen hart ein, was eine erhebliche Bremswirkung hat. Am unangenehmsten ist halber Wind mit starker seitlicher Welle, auch wenn die reale Krängung sehr gering ist, hat man dennoch den Eindruck enormer Schaukelei, sowohl optisch wie auch gefühlt. Schaut man jedoch den Flüssigkeitsspiegel in der auf dem Tisch stehenden Kaffeetasse an, so bewegt sich dieser eher wenig. Zu keinem Zeitpunkt mussten wir irgendetwas festzurren, einzig ein lose auf der Küchenarbeitsplatte stehender Kochtopf ist einmal krachend runter gerutscht. A propos Krachen, die Wasserschläge, die bei Seegang unter das Brückendeck hämmern, ergeben eine doch sehr unangenehme Geräuschkulisse. Wenn man nachts dabei schlafen will, sind Ohrenstopfen zu empfehlen.

Wasser ist vom Vordeck nur ganz selten über gekommen, selbst gegen 25 Knoten und Wellen von vorne spritzt es gerade mal übers Vordeck, die Cockpitscheibe hat nur ein oder zweimal etwas abgekriegt. Man kann sich problemlos hinten aufhalten, ohne nass zu werden. Die Segelkleidung haben wir eigentlich nur wegen der Kälte angezogen, nass geworden ist sie bisher nicht.

Die Bordkasse:
Es ist nicht ganz trivial, bei wechselnden Crews eine Bordkasse zu führen, aber ich habe mein Möglichstes getan. Um die Sache so gerecht wie möglich zu machen, addiere ich die Verbrauchs-materialien wie Diesel, Benzin, Gas und Lebensmittel von den anderen Kosten wie Liegege-bühren, Handbücher und Versicherungen, die sich nicht direkt auf Wochen umrechnen lassen.

Während der insgesamt 9-1/2 Wochen, die wir zu zweit waren, haben wir 1.300 US$ für die Bordkasse ausgegeben. Das sind 650 US$ pro Person, je nach Wechselkurs macht das knapp 600 €, also ca. 65 € pro Woche. Zusätzlich verlange ich von allen Mitseglern eine Betriebskosten-pauschale für Versicherungen, Öle, Wäscherei, Segelhandbücher, Karten-material usw. von 25 € pro Woche. Zusammen sind das 90 € pro Person und Woche. Meine ursprüngliche Schätzung von 50-100 €/Woche, die ich auch auf der Webseite und bei Hand-gegen-Koje genannt habe, ist also durchaus realistisch. Manche Länder mögen teurer sein als die USA, die meisten aber sind billiger.

Dazu kommen noch Liegegebühren, Restaurantbesuche, individuelles Eisessen usw. sowie Einklarierungsgebühren, die stark von den Wünschen der Crew und der jewei-ligen Region abhängig sind. Bisher haben wir nur für wenige Nächte Liegegebühren bezahlt, insgesamt 400 US$, also noch mal knapp 20 € pro Person und Woche. Zukünftig werde ich es so handhaben, dass wir all diese Kosten immer direkt umlegen, dann gibt es da kein Durcheinander mit der Bordkasse.

In der Zwischenzeit ist der Euro übrigens um 10% gestiegen, das Ganze wird also ab sofort preiswerter.

3 Kommentare zu „Zwischenbilanz nach dem 1. Abschnitt“

  1. Hallo Uwe. Sehr interessant dein Bericht. Es freut mich dass es gut läuft und dass du die Technik langsam im Griff hast. Rupert.

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  2. Hallo Uwe,dein sehr ausführlicher Blog macht Lust auf mehr. Ich überlege mir gerade den freien Platz, der Etappe Hampton-Bahamas, einzunehmen. Vieleicht klappt es ja. Otto.

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